Die Präsidentenwahlen, die am 29. Juni 1980 stattfanden, stießen im ganzen Land auf große Aufmerksamkeit. Viele Menschen beteiligten sich an Debatten, besuchten die Wahlkampfveranstaltungen der Kandidaten und äußerten sich auf den Seiten der Zeitungen. Als die Wahllokale um 23 Uhr abends geschlossen wurden, lag eine Wahlbeteiligung von 90,5% vor. Am nächsten Morgen um 6 Uhr in der Frühe lagen die letzten Auszählungen vor und es war klar, dass Vigdís Finnbogadóttir zur Präsidentin der Nation gewählt worden war.
Sie erhielt ein Drittel der abgegebenen Stimmen, doch innerhalb kurzer Zeit konnte sie den Großteil des Volkes für sich gewinnen. Die anderen drei Kandidaten riefen das Volk auf, sich hinter die neue Präsidentin zu stellen.
Vigdís Finnbogadóttir wurde unverzüglich zum Interview in das Studio des Staatlichen Fernsehens gebeten, das sowohl im Radio als auch im Fernsehen ausgesendet wurde. Als sie gegen 7 Uhr morgens nach Hause in die Aragata zurückkehrte, hatte sich bereits eine große Menschenmenge vor ihrem Haus versammelt, um ihr zuzujubeln. Vigdís Finnbogadóttir trug zu diesem Anlass ein handgestricktes Kleid, das ihr eine unbekannte Frau während des Wahlkampfs zugeschickt hatte. Vigdís Finnbogadóttir hatte gelobt, es erst dann zu tragen, wenn sie die Wahl gewonnen hätte.
Die abschließenden Wahlergebnisse der Präsidentschaftswahlen vom 29. Juni 1980
- Vigdís Finnbogadóttir 43.611 Stimmen (33,8%)
- Guðlaugur Þorvaldsson 41.700 Stimmen (32,3%)
- Albert Guðmundsson 25.599 Stimmen (19,8%)
- Pétur J. Thorsteinsson 18.139 Stimmen (14,1%)
Vigdís Finnbogadóttir erwähnte später oft, dass sie froh war, einen so knappen Sieg errungen zu haben, weil dadurch kein Zweifel daran bestehen konnte, dass es sich um einen wahren Kampf gehandelt hatte. Eine Bäuerin aus dem Norden der Insel schrieb am 1. Juli 1980 in einem Brief an Svanhildur Halldórsdóttir, die Wahlleiterin von Vigdís Finnbogadóttir: „In meiner Freude über den Wahlsieg von Vigdís Finnbogadóttir möchte ich gern rasch einige Zeilen zu Papier bringen. Es erfüllt mich mit Hoffnung, wie viele Menschen ihr ihre Stimme gaben, dieser mutigen, anständigen Frau, die der Inbegriff des Besten ist, was meiner Meinung nach jeder Isländer in sich tragen sollte. Und in meinen Augen als Mensch vom Lande ist sie auf so liebenswerte Weise heimatverbunden.“ Sie fügte ihrem Brief die hier übersetzten Verse von Valborg Bentsdóttir hinzu und erklärte, dass der Ton in den Worten von Vigdís Finnbogadóttir sie an diese Strophe erinnert habe.
Beurteilt werden soll der Mensch
nach seinen Menschenwerten.
Keiner bittet um Almosen.
Es tönt über Berge und die Erde hinweg.
Freiheit soll auf der Erde herrschen
gleiches Recht, Fortschritt, Frieden.
Svanhildur Halldórsdóttir hat keine Zweifel daran, dass die Wahl von Vigdís Finnbogadóttir die Einstellung Frauen gegenüber maßgeblich verändert hat und auch, dass Frauen dadurch an Selbstvertrauen hinzugewonnen haben. „Sie hat gezeigt, dass wir genauso einen Platz an der Spitze verdient haben und dass dieser Platz nicht für die Männer reserviert ist. Sie hat das bewiesen, was wir als ihre Anhänger schon vorher wussten, dass Frauen Männern nicht unterlegen sind. Und bei all dem hat sie großen Wert auf unsere Wurzeln, unser kulturelles Erbe gelegt. Sie nahm uns mit nach draußen, dorthin, wo der Löwenzahn blüht. Hat das Amt dem Volk näher gebracht und ist allen als Gleichrangige begegnet – Frauen, Männern und Kindern. Sie war eine würdige Fürsprecherin des isländischen Volkes im In- und Ausland. Vigdís Finnbogadóttir hat die Erwartungen derjenigen erfüllt, die sie seinerzeit unterstützten, und sie hat das Herz auch derjenigen gewonnen, die anfangs nicht hinter ihr standen, sich aber später umso stärker mit ihr identifizierten. Heute regt sich niemand mehr darüber auf, wenn Frauen eine leitende Position anstreben – und ich denke, dass sich nur die wenigsten von ihrem Familienstand davon beeinflussen lassen würden, wenn es darum geht, sich um einen verantwortungsvollen Posten zu bewerben. Dies alles gehört zu den Dingen, die sich geändert haben.“
Vigdís Finnbogadóttir hat später oft gesagt, dass die Fortschritte auf dem Gebiet der Gleichstellung der Beweis dafür sind, dass man mit einem unerschütterlichen Willen in nur kurzer Zeit enorme Veränderungen erreichen kann.
Der gesamte Wahlkampf von Vigdís Finnbogadóttir wurde von Überlegungen und Kommentaren über ihr Geschlecht begleitet und auch die ersten Jahre ihrer Präsidentschaft waren davon noch geprägt. Die Augen der Welt richteten sich auf die Sagainsel im Hohen Norden und das Volk spürte, dass es hier ein neues Kapitel aufgeschlagen hatte und an Ereignissen teilgenommen hatte, die weit über ihre Insel hinaus Bedeutung hatten.
Die Wahl von Vigdís Finnbogadóttir ins Amt des Präsidenten am 29. Juni 1980 erregte weltweit großes Aufsehen, denn damit war zum ersten Mal eine Frau in demokratischen Wahlen zum Staatsoberhaupt gekürt worden. Die historische Wahl von Vigdís Finnbogadóttir und ihre erfolgreiche Amtszeit haben Island, dem isländischen Volk und dessen Kultur positive Aufmerksamkeit beschert.